https://www.welt.de/politik/ausland/article234909996/Belarus-Polen-schliesst-Grenzuebergang-Haben-erster-Welle-standgehalten.html Ausland Migranten aus Belarus „Wir haben der ersten Welle standgehalten“ – Polen schließt Grenzübergang Stand: 08.11.2021 | Lesedauer: 5 Minuten Die Videos wecken Erinnerungen an die Bilder von 2015: Regierungskritiker aus Belarus haben Aufnahmen von Migranten veröffentlicht, die auf dem Weg zur Grenze zwischen Polen und Belarus sind. Quelle: WELT / Christoph Wanner / Nexta Live Autoplay Gruppen von Migranten haben am Montag versucht, die polnische Grenze zu Belarus zu durchbrechen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem „hybriden Angriff“ und forderte neue Sanktionen gegen Machthaber Lukaschenko. 899 Anzeige Angesichts der Lage an der polnisch-belarussischen Grenze hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusätzliche Sanktionen gegen Belarus gefordert. Belarus müsse mit der „zynischen Instrumentalisierung von Migranten“ aufhören, sagte von der Leyen am Montagabend. „Ich fordere die Mitgliedstaaten auf, die erweiterte Sanktionsregelung gegen die belarussischen Behörden, die für diesen hybriden Angriff verantwortlich sind, zu billigen“, sagte von der Leyen. Lesen Sie auch BELARUS-POLAND-MIGRANTS Migranten aus Belarus Polens Angst vor der tödlichen Inszenierung an der Grenze Am Montag hatten nach Angaben polnischer Behörden größere Gruppen von Migranten immer wieder versucht, die Grenze zu Belarus zu durchbrechen. Ein solcher Versuch habe sich in der Nähe des Grenzortes Kuznica ereignet, teilte das Verteidigungsministerium in Warschau am Montag auf Twitter mit. Auf einem dazu geposteten Video ist zu sehen, wie eine Gruppe von Männern mit Spaten und einem Baumstamm versucht, den Stacheldrahtzaun an der Grenze umzureißen. Ein polnischer Uniformierter geht mit Tränengas gegen die Männer vor. Der polnische Grenzschutz teilte am Abend mit, der Grenzübergang Kuźnica werde geschlossen. Ab Dienstag 7.00 Uhr werde der Grenzverkehr für Waren und Personen am Übergang Kuznica eingestellt. Reisende wurden gebeten, auf die Grenzübergänge in Terespol und Bobrowniki auszuweichen. Polens Grenzschützer berichteten am Abend, die Migranten hätten dort ein Lager aufgeschlagen. „Wir haben der ersten Welle standgehalten und warten, was in einer Weile geschieht, wenn es Nacht wird. Wir sind gut vorbereitet“, sagte ein Sprecher der Behörde der Agentur PAP. Man wisse nicht, womit die belarussischen Sicherheitskräfte die Polen überraschen wollten. Migranten rufen nach Hilfe aus Deutschland Anzeige Mehrere Videos, die am Montag auf dem Twitterkanal „Nexta“ veröffentlicht wurden, zeigten, wie belarussische Einsatzkräfte Migranten an die Grenze gedrängt hatten. Zu erkennen war auch, wie Männer mit Werkzeug, darunter einem Seitenschneider, den Grenzzaun zerstören. Auf einem weiteren Video war zu sehen, wie Männer vor einem niedergerissenen Zaun polnischen Grenzschützern gegenüberstehen und „German“ oder „Germany“ rufen. Auch ein Hubschrauber war im Einsatz. Das polnische Verteidigungsministerium veröffentlichte auch eine Luftaufnahme aus dem Grenzgebiet bei Kuźnica, auf dem eine große Gruppe Migranten vor dem Grenzzaun zur EU zu sehen ist. Für „Nexta“ arbeiten mehrere belarussische Journalisten, die sich als Opposition gegen das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko verstehen. Nach Angaben von Tadeusz Giczan sollen Migranten auf einer Versammlung in Minsk entschieden haben, als große Gruppe zum Grenzübergang Kuźnica–Bruzgi zu ziehen, um diesen zu überqueren. Anzeige Videos auf Twitter und Telegram zeigten am Montagmorgen, wie sich eine große Gruppe von Migranten auf den Weg zur Grenze gemacht hatte, darunter auch Frauen und Kinder. Die Videos wurden in der Nähe des Grenzübergangs Kuźnica-Bruzgi aufgenommen, wie es heißt. Der polnische Innenminister Mariusz Kaminski sagte, sein Land sei auf alle Situationen an der Grenze vorbereitet und habe die Zahl der Grenzschutzbeamten, Soldaten und Polizisten erhöht. Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak erklärte, es würden nunmehr 12.000 Soldaten an der Grenze eingesetzt – 2000 mehr als zuvor. Weitere Kräfte seien in Alarmbereitschaft versetzt. Sein Ministerium sei zusammen mit dem Innenministerium, das für die Polizei und den Grenzschutz zuständig ist, „bereit, die polnische Grenze zu verteidigen“. Belarussische Grenzschützer sollen Gruppe bedrängen Ein weiteres Video der Gruppe „Nexta“ zeigte bewaffnete Personen, die den Konvoi der Migranten bewachen. Dabei handelt es sich offenbar um eine Spezialeinheit des belarussischen Grenzschutzes, wie WELT-Korrespondent Pavel Lokshin berichtet. „Nach neuesten Informationen steht diese riesige Gruppe von Migranten unter der Kontrolle von bewaffneten belarussischen Einheiten, die entscheiden, wohin sie gehen darf und wohin nicht“, schrieb Polens Geheimdienstkoordinator Stanislaw Zaryn auf Twitter. Er sprach von einer weiteren feindlichen Aktion des Nachbarlandes gegen Polen. Die polnische Regierung berief deshalb einen Krisenstab ein. Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilde Auf einem anderen „Nexta“-Video von Sonntagnachmittag war zu sehen, wie schwer bewaffnete belarussische Grenzsoldaten Frauen und Kinder als eine Art menschliche Schutzschilde benutzen, um sie daran zu hindern, nach Belarus zurückzukehren. Derzeit landen in Belarus täglich etwa 800 bis 1000 Migranten, wie WELT AM SONNTAG unter Berufung auf deutsche Sicherheitskreise berichtete. Nach Angaben der Bundespolizei waren allein in den ersten vier November-Tagen insgesamt 572 Menschen aus Belarus illegal nach Deutschland eingereist. Auf das ganze Jahr 2021 gesehen gab es damit bereits 8407 unerlaubte Grenzübertritte mit Bezug zu dem osteuropäischen Land. Lesen Sie auch Polnische Soldaten stehen vor einem Zaun an der Grenze zu Belarus. Die von Diktator Lukaschenko befeuerte Fluchtbewegung sorgt für Spannungen zwischen den benachbarten Ländern Grenzkonflikt mit Belarus Polens Angst vor dem Ukraine-Szenario Anzeige Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko plant, die Möglichkeiten zur Einreise aus dem Nahen Osten noch auszuweiten und die Zahl der Flüge zu erhöhen. Mit Visa-Erleichterungen lockt das Lukaschenko-Regime Migranten und schleust sie gezielt an die Grenzen von Polen, Litauen und Lettland, um auf diese Weise Vergeltung für europäische Sanktionen zu üben. „Menschenverachtendes Verhalten von Herrn Lukaschenko“ Die US-Regierung forderte Belarus auf, seine „Kampagne zur Orchestrierung und Erzwingung illegaler Flüchtlingsströme über seine Grenzen in die EU“ sofort zu stoppen. Washington verurteile die Ausnutzung „verletzlicher Menschen“ durch das „Lukaschenko-Regime“, sagte Außenministeriumssprecher Ned Price. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin sagte, es gebe „Hinweise, dass das Minsker Regime die Menschen trotz der widrigen Verhältnisse und auch der winterlichen Temperaturen immer wieder zur Grenze schickt, zum Teil mit Zwang“. Es handele sich um ein „perfides und menschenverachtendes Verhalten von Herrn Lukaschenko“. Lesen Sie auch WELT-Autor Klaus Geiger Migranten aus Belarus Mit dem Schutz seiner Grenze tut Polen der EU einen Gefallen Polen, Lettland und Litauen meldeten in den vergangenen Monaten tausende illegale Grenzübertritte aus Belarus. Polen reagierte auf die steigende Zahl von Migranten mit einer massiven Aufstockung von Grenzsoldaten, der Errichtung eines Stacheldrahtzauns und der Verhängung eines Ausnahmezustands im Grenzgebiet. Auch sogenannte Pushbacks wurden legalisiert. Das Warschauer Parlament gab zudem grünes Licht für den Bau einer umstrittenen befestigten Grenzanlage an der Grenze zu Belarus. jr/sebe/gub/ll/dpa/AFP